Zahl 2: 825

825 Milliarden Euro

Rund 825 Milliarden Euro (825 984 000 000 Euro) beträgt der monetäre Wert der unbezahlten Arbeit der Frauen. Dieser Betrag wird Frauen jedes Jahr nicht bezahlt, obwohl sie in der Woche eine Stunde mehr arbeiten als Männer.

Es ist wichtig zu verstehen und einzuordnen, wie enorm groß der Beitrag der von Frauen geleisteten unbezahlten Arbeit zum Lebensstandard ist. Im Jahr 2013 war er größer als alle Ausgaben von EU, Bund, Länder und Gemeinden – ohne staatliche Ausgabe für die Sozialversicherung.(1) Er ist um 304 Milliarden Euro höher als der monetäre Wert der unbezahlten Arbeit von Männern.(2)

Die meisten Frauen und Männer gehen im erwerbsfähigen Alter einer bezahlten Arbeit nach und leisten zudem unbezahlte Arbeit im Haushalt für Kochen, Putzen, Wäsche waschen und vieles mehr. Gesamtgesellschaftlich betrachtet wird in Deutschland mehr unbezahlt als bezahlt gearbeitet. Im Jahr 2013 waren es laut Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes 35 Prozent. Im Vergleich zum Jahr 1992 ist der Umfang der unbezahlten Arbeit um 13 Prozent zurückgegangen. Laut Statistischem Bundesamt beträgt ihr monetärer Wert 826 Milliarden Euro.(3) Ohne die unbezahlte Arbeit könnten wir nicht leben. In einer geldgesteuerten Wirtschaft ist es wichtig, unbezahlte Arbeit oder andere Größen wie beispielsweise Ressourcenverbrauch oder Umweltschäden in Geld zu beziffern, selbst wenn diese wahrscheinlich gar nicht bezahlbar wären. Beide Berechnungen geben uns einen Eindruck von der ökonomischen Bedeutung im Vergleich zur Wirtschaft, in der in Geld gerechnet wird. Wir sollten gleichzeitig auch mit Arbeitsstunden rechnen (siehe Makrozahl 60): Sowohl für Frauen als auch für Männer haben die Tage nur 24 Stunden. In den gängigen Wirtschaftstheorien wird jedoch angenommen, dass für unbezahlte Arbeit unerschöpflich viel Zeit zur Verfügung steht, damit wird vor allem die Arbeitsleistung der Frauen ausgeklammert. In der Realität leiden Frauen unter Zeitknappheit, denn sie sind mindestens ebenso vollbeschäftigt wie Männer – nur eben vorwiegend unbezahlt.(4)

Die unbezahlte Arbeit wird vom Statistischen Bundesamt nur alle 10 Jahre erhoben und fließt deshalb nicht in die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ein. Es geht auch besser: In der Schweiz wird sie als wirtschaftliche Leistung der Haushalte angesehen und entsprechend als Bruttowertschöpfung. Damit wird sie als Teil eines erweiterten Bruttoinlandsprodukts gerechnet.(5) Auch die unbezahlte Arbeit, die Frauen und Männer in der Politik, im Sport, in Altersheimen, in Kirchen etc., also in anderen Institutionen verrichten (sog. institutionalisierte Freiwilligenarbeit), werden in der Schweiz als Haushaltsleistungen berechnet.

Der Haushaltssektor ist als institutioneller Sektor gesehen fast so groß wie die gesamte private Wirtschaft, sehr viel größer als der Produktionssektor (Automobil-, Elektroindustrie und Chemie) und als der Staat.(6) In den deutschen Wirtschaftsstatistiken werden aber Haushalte nur als Konsumeinheiten, nicht als produzierende und dienstleistende Institutionen gesehen, wie beispielsweise der Staat, die Banken oder die Industrie- und Dienstleistungsunternehmen. Das wirkt sich fatal auf die ganze Wirtschaftspolitik aus. Die große wirtschaftliche Bedeutung der unbezahlten Arbeit der Frauen (und Männer) bleibt dadurch als Beitrag zu unserem Lebensstandard völlig unsichtbar. Unsichtbar bleiben auch die Verhältnisse, in denen Frauen diese unbezahlte Arbeit leisten.

Wichtige Vergleiche

Die Zahl 825 Milliarden Euro ließe sich mit zahlreichen gesamtökonomischen Größen vergleichen. Die Erhebung über die unbezahlte Arbeit liefert alle 10 Jahre Daten zu unterschiedlichen Tätigkeiten im Haushalt und bei der Betreuung von Kindern. Würde sie jährlich erhoben und als Satellitenkonto Haushaltsproduktion analog der Schweiz in die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung einfließen, könnte sie die Grundlage liefern, um genauer über gewisse wirtschaftliche Realitäten nachzudenken, wie folgende Beispiele zeigen.

Vergleich mit Steuereinnahmen des Staates: Der monetäre Wert der unbezahlten Arbeit der Frauen beträgt etwas weniger als das Fünffache der Einnahmen von Bund, Länder und Gemeinden aus direkten Steuern natürlicher Personen (161 Milliarden Euro Lohn- und Einkommenssteuern im Jahr 2016)(7) und mehr als das Siebzehnfache (!) der direkten Steuern juristischer Personen (47 Milliarden Euro Körperschafts- und Gewerbesteuern der Unternehmen).(8)

Vergleich mit den Konsumausgaben der Haushalte: Der Wert der unbezahlten Arbeit der Frauen betrug 2012 insgesamt 825 Milliarden Euro, der der Männer 421 Milliarden Euro insgesamt also  1 246 Milliarden Euro. Von den Haushalten wurde im Jahr 2014 insgesamt für 191 Milliarden Euro Konsumausgaben(9) getätigt. Der Wert der gesamten unbezahlten Arbeit, inklusive derjenigen von Männern, beträgt also weit mehr als insgesamt konsumiert wurde. Die Zahl zeigt, wie stark unser Lebensstandard von unbezahlter Arbeit abhängt. Er zeigt auch, was das für Working Poor bedeutet: Sie müssen für eine ungenügende finanzielle Existenzsicherung sehr viele Stunden für Erwerbsarbeit aufwenden und haben dadurch weniger Zeit, unbezahlt zu arbeiten. Beides führt zu einer starken Verminderung des Lebensstandards. Working Poor sein, heißt arm an Geld und Zeit zu sein.

Grundsätzliche statistische Bemerkungen

Die statistisch ausgewiesene Bruttowertschöpfung wird in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) geschlechtsunspezifisch ausgewiesen. Es existiert neben dem Mikrozensus keine andere öffentlich zugängliche Auswertung des Arbeitsvolumens nach Wirtschaftszweigen, die geschlechtsspezifisch solide Aussagen treffen würde. Die kategoriale Ausweisung von Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung und Mikrozensus unterscheiden sich nicht unerheblich. Deshalb kann hier nur eine Annäherung an eine valide statistische Aussage getroffen werden.

Die monetäre Berechnung der unbezahlten Hausarbeit gestaltet sich ebenfalls schwierig. Den einzelnen Tätigkeiten im Haushalt, der Kinderbetreuung und Pflege wurden hier mit Durchschnittslöhnen in den jeweiligen Berufen multipliziert. Das heißt, die Wertschöpfung der unbezahlten Care-Arbeiten würde hier noch höher ausfallen, wenn in den zugrundeliegenden bezahlten Sektoren (Kinderbetreuung, Pflege, Haushalt) höhere Löhne gezahlt würden.

Seit 2005 fließen die Waren und Dienstleitungen nicht mehr zu Marktpreisen, sondern zu Herstellungspreisen in die Bruttowertschöpfung ein, also ohne Steuern.

In der Ausweisung von Arbeitsvolumen, die hier zugrunde liegen, scheint es so, als würden Frauen bezahlt und unbezahlt zusammen genommen etwas weniger arbeiten als Männer (183 894,5 vs. 223 026,9 Millionen Stunden). Dabei ist zu berücksichtigen, dass in den Daten zur bezahlten Arbeit vom Mikrozensus kleinere und geringfügige Tätigkeiten eher unter den Tisch fallen (siehe Vorgehensweise Arbeitsvolumen), die tendenziell eher von Frauen ausgeführt werden. Das Volumen der bezahlten und unbezahlten Arbeit von Frauen und Männern ist insgesamt nahezu gleich, wenn wir  den Angaben der Zeitverwendungserhebungen folgen. Diese Studien kommen zu dem Schluss, dass Frauen im Schnitt eine Stunde mehr die Woche bezahlt und unbezahlt arbeiten als Männer.

Wenn wir das produzierende Gewerbe inklusive der wirtschaftsnahen Dienstleistungen dem Dienstleistungssektor gegenüberstellen, wird deutlich, dass der industrielle Sektor in Deutschland immer noch vergleichsweise bedeutsam ist – trotz der sog. „Dienstleistungsgesellschaft“ – und daneben der Sektor der unbezahlten Arbeit weiterhin sehr groß ist.

Vorgehensweise für die Berechnung

Die Bruttowertschöpfung der unbezahlten Hausarbeit, Kinder-betreuung und Pflege wurden der Zeitverwendungserhebung 2012/13 des Statistischen Bundesamtes entnommen. Entlang der einzelnen in der Zeitverwendungserhebung ausgewiesen Tätigkeiten wurden die Durchschnittslöhne aus dem WSI-Lohnspiegel 2012 multipliziert. Die Bruttowertschöpfung der bezahlten Arbeit ist aus der VGR des Jahres 2012 des Statistischen Bundesamtes entnommen. Um eine geschlechtsspezifische Auswertung möglich zu machen, wurden die Anteile an der Bruttowertschöpfung aus dem errech-neten Arbeitsvolumen entnommen und die Bruttowertschöpfung entsprechend der Geschlechterlinie aufgeteilt.

Die Zusammenführung der Daten des Arbeitsvolumens von Männer und Frauen in der bezahlten und unbezahlten Arbeit nach Sektoren und Wirtschaftszweigen ist aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten eine Herausforderung. Erstes statistisches Problem ist die Erstellung eines Datensatzes aus mehreren unterschiedlichen statistischen Quellen.

Das Volumen der unbezahlten Arbeit wird in der Bundesrepublik Deutschland alle zehn Jahre erhoben, zuletzt im Jahre 2012/2013. Die Daten wurden im Jahre 2015 veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt standen für das Volumen der bezahlten Arbeit aufgeschlüsselt nach Wirtschaftszweigen nicht mehr alle Daten zur Verfügung. Deshalb beziehen sich einige Teile dieses Vergleichs auf das Jahr 2015. Auch das Volumen der bezahlten Arbeit insgesamt wird in der Detail-genauigkeit, wie sie für unsere Analysen notwendig wäre, nicht in einer Statistik veröffentlicht. Deshalb mussten unterschiedliche statistische Quellen zusammengeführt werden. Auf der Grundlage der Arbeitsmarktdaten sollte die Agentur für Arbeit in Kooperation mit dem Statistischen Bundesamt regelmäßig solche Statistiken veröffentlichen.

Auch das Volumen der unbezahlten Arbeit ist der Zeitverwendungs-erhebung 2012/13 entnommen. Die Zeitverwendungserhebung weist die Arbeitsstunden in einer Woche für Männer und Frauen (ab 10 Jahren) aus, die aufs Jahr (52 Wochen) hochgerechnet wurden. Die Aufarbeitung des Statistischen Bundesamtes weist einzelne und summierte Tätigkeiten getrennt nach Männern und Frauen pro Tag als Mittelwert über eine Woche aus. In diesem Zusammenhang wurden die Bereiche Haushaltsführung, Kinderbetreuung, Pflege und andere unbezahlte Arbeit nach Frauen und Männern getrennt pro Tag, aufgeschlüsselt in Haushaltsführung gesamt, Kinderbetreuung und Pflege im Haushalt. Diese Zeiten wurden aufs Dezimalsystem umgerechnet und aufs Jahr (52 Wochen) hochgerechnet. Zur Erfassung des Arbeitsvolumens wurde der Anteil an der Bevölkerung über 10 Jahre getrennt nach Geschlecht multipliziert.

Das Volumen der bezahlten Arbeit wurde dem Mikrozensus als amtliche Repräsentativstatistik über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt in Deutschland entnommen. Die Arbeitskräfte-stichprobe der Europäischen Union (EU-Arbeitskräftestichprobe) ist in den Mikrozensus integriert. Die Daten aller Menschen, die einer Arbeit nachgehen, sind erfasst, deshalb sind Minijobber:innen, mithelfende Familienangehörige, Selbstständige und sozialversicherte Beschäftigte inkludiert. Auch diese Erhebung weist die Wochenarbeitsstunden aus, die aufs Jahr hochgerechnet wurden.

Fehlerhinweis des Statistischen Bundesamtes: „Bei Stichprobenerhebungen wie dem Mikrozensus treten zwei Arten von Fehlern auf: ein zufallsbedingter und ein systematischer Fehler. Zufallsbedingte Fehler sind Abweichungen, die darauf zurückzuführen sind, dass nicht alle Einheiten der Grundgesamtheit befragt wurden. Als Schätzwert für den zufallsbedingten Stichprobenfehler dient der so genannte Standardfehler, der aus den Einzeldaten der Stichprobe berechnet wird. Für hochgerechnete Jahresergebnisse unter 5 000 und – nach vorläufigen Berechnungen – hochgerechnete Quartalsergebnisse unter 20 000, das heißt für weniger als 50 Fälle in der Stichprobe, geht der einfache relative Standardfehler über 15 % hinaus. Solche Ergebnisse haben nur noch einen geringen Aussagewert und sollten deshalb für Vergleiche nicht mehr herangezogen werden. Hochgerechnete Besetzungszahlen unter 5 000 auf Jahresebene beziehungsweise unter 20 000 auf Quartalsebene werden demzufolge nicht erfasst […]. Systematische Fehler sind nicht zufallsabhängige Abweichungen, die aus Fehlern auf sämtlichen Stufen der Statistikproduktion resultieren können (zum Beispiel Mängel bei der adäquaten Konzeption der Fragebogengestaltung und der Interviewerschulung, fehlerhafte Angaben der Befragten und der Interviewer, Datenerfassungsfehler). Die Ergebnisse des Mikrozensus hinsichtlich der nach dem Labour-Force-Konzept der Internationalen Arbeitsorganisation (kurz: ILO-Konzept) gemessenen Erwerbsbeteiligung weichen trotz deutlicher Verbesserungen in den letzten Jahren nach wie vor teilweise von denen anderer arbeitsmarktstatistischer Datenquellen ab. Für das Jahr 2013 weist der Mikrozensus im Vergleich zur Erwerbstätigenrechnung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen 6,2 % Erwerbstätige weniger aus.“(10)

Für Deutschland ist dies die einzige Statistik, in der Arbeitsvolumina nach Männern und Frauen getrennt ausgewiesen werden. Um die Darstellung des Volumens der bezahlten Arbeit möglichst detailliert im Bereich der Dienstleistungen und der öffentlichen bezahlten Arbeit darstellen zu können, wurden in Einzelfällen Summen aus Statistiken der Agentur für Arbeit hinzugezogen, die aus dem Jahr 2015 stammen. Zahlen aus dem Jahre 2012 waren in dieser Detailtreue nicht zugänglich. Die Gesamtdarstellung kann unter statistischen Gesichtspunkten nur Größenordnungen darstellen. Die Anstrengungen, die bei ihrer Erstellung unternommen werden mussten, sollten gewürdigt werden. In Deutschland ist dies der erste Versuch einer solchen Darstellung. Im Vergleich zur Darstellung der Schweizer Arbeitsvolumina ist festzustellen, dass dieselbe Aufschlüsselung nicht möglich ist. Unter anderem lassen sich öffentliche und private Dienstleistungen in Bildung/ Gesundheit/ Soziales anhand der Datenlage in Deutschland nicht gesondert aufführen.

Marilyn Waring, Neuseeländische Ökonomin und Politikerin, veröffentlichte Ende der 1980er Jahre das Buch If Women Counted. A New Feminist Economics. Aus ihrer Erfahrung als junge Abgeordnete und Vorsitzende der Revision der Nationalen Buchhaltung, vergleichbar mit der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR), und deren Anpassung an UN-Standards, folgte, wie sie selbst schreibt, ein brutales Erwachen. Alle Dinge, die ihr politisch wichtig waren, waren in diesen Rechnungen und statistischen Analysen nicht enthalten. Die Nationalparks, die Abwesenheit von Atomenergie, aber auch die gesellschaftlich notwendige Arbeit, die Frauen unsichtbar leisten, werden in der VGR nicht erwähnt. Sie werden in ihrer Bedeutung nicht als Teil des Wirtschaftskreislaufs wahrgenommen und finden deshalb auch keinen Zugang zu finanz- und wirtschaftspolitischen Entscheidungen. Diese Verzerrungen, so Waring weiter in ihrem Buch, machen deutlich, wie mit Statistik Politik gemacht wird. Die Geschichte beginnt eben nicht mit Churchills Anekdote, „vertraue nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“. Politik ist bereits die Entscheidung, was erhoben und wie es verbucht wird.

Schon 1995 wurde auf der Weltfrauenkonferenz der UN die Forderung erhoben, nationale Wirtschaftsstatistiken um die Erfassung der unbezahlten Arbeit zu erweitern und sie als Teil des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erfassen, weil unbezahlte Arbeit einen wichtigen Teil unseres Lebensstandards ausmacht und deshalb der statistischen Sichtbarmachung bedarf.

Obwohl die Bundesrepublik Deutschland zu den 189 Staaten gehört hatte, die diese Forderung als Voraussetzung einer Gender Budgeting-Analyse unterschrieben haben, ist seither nur wenig passiert. Die statistischen Daten in der Schweiz sind weitaus besser. Seit 1997 werden alle drei bis vier Jahre innerhalb der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) zusätzliche Fragen zur unbezahlten Arbeit gestellt und ein Jahr später veröffentlicht. In der Bundesrepublik Deutschland werden die Daten zur unbezahlten Arbeit nur alle 10 Jahre erfasst und erst einige Jahre nach ihrer Erhebung veröffentlicht. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Zahlen sich nicht so sehr unterscheiden. Auch in Deutschland wird die immense Leistung der Frauen für unsere Gesellschaft nicht ernsthaft gezählt.

Politische Entscheidungen werden auf der Grundlage von Nicht-Wissen gefällt. Dies kann vor allem dann zu fatalen Ergebnissen führen, wenn beispielsweise Kürzungen und Privatisierungen in der öffentlichen Daseinsvorsorge dazu führen, dass zu erbringende Leistungen in private Haushalte verlagert und dort in aller Regel von Frauen erbracht werden.

Den deutschen Initiatorinnen ist es wichtig die Dimension der finanziellen Benachteiligung der Frauen in Euro zu beziffern, aber auch die Stunden zu zählen, die Frauen unbezahlt arbeiten. Der Tag hat für alle nur 24 Stunden und Stunden sind nach Waring die Währung der Frauen.

Ziel dieser Veröffentlichung ist es, diese großen Zahlen zum Dauerthema in der politischen Öffentlichkeit zu machen und sie in einen wirtschaftspolitisch relevanten Zusammenhang zu bringen. Um zu illustrieren wie unglaublich viele Milliarden es sind, hat Christine Rudolf gemeinsam mit der AG #CloseEconDataGap  ebenso große Zahlen wie in andern Bereichen des Wirtschaftens gesucht. Die unglaubliche Menge an unbezahlter Arbeit, die Frauen leisten, wird mit relevanten ökonomischen Vergleichen sichtbar und ihre wirtschaftspolitische Relevanz verständlich gemacht. Zu zählen was zählt, wäre ein wichtiger Beitrag diese Größenordnungen in das öffentliche und politische Bewusstsein zu bringen und ein großer Schritt zu einer erstzunehmenden Analyse der Verteilungsgerechtigkeit von öffentlichen Haushalten.

Denn der Diskurs um die Erwerbsquote von Frauen und ihre mangelnde Präsenz in Führungspositionen lassen völlig außer Acht, dass dringend ökonomisch und ethisch vertretbare Modelle der Care-Arbeit entwickelt werden müssen. Wenn nicht mehr Frauen diese Arbeit unbezahlt leisten, wer leistet sie dann und zu welchen Bedingungen?

380 – 60 – 825 nimmt die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge in den Fokus und liefert damit brisante Informationen für die Öffentlichkeit. Dabei ist nicht nur die Politik, sondern auch die universitäre Forschung in der Pflicht. Nach Ansicht der Initiatorinnen des Projektes wäre es zudem eine Kernaufgabe für die wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten, sich mit den ökonomischen Zusammenhängen zwischen monetärer Wirtschaft und den Bereichen der unbezahlten Arbeit zu befassen. Sie fordern, dass die universitäre Forschung dieser Aufgabe endlich nachkommt. Christine Rudolf erklärt: „Bis heute beschränkt sich die Wirtschaftstheorie auf die Analyse der direkt geldgesteuerten Wirtschaft. Der enorme Beitrag der unbezahlten Arbeit für unseren Lebensstandard wird dadurch unsichtbar und als scheinbar unendlich verfügbar angenommen, was nicht realistisch ist. Frauen und Männer arbeiten Vollzeit, Frauen sehr viel mehr unbezahlt und schlechter bezahlt als Männer.“ Und sie fordert: „Diese Tatsache muss endlich Eingang finden in die Wirtschaftstheorien.“

Nach dem Frauen*streik ist vor dem Frauen*streik!

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(1) Leider liegen für 2014 noch keine Abrechnungen vor, hier die Quelle von 2013: https://www.destatis.de/DE/Methoden/WISTA-Wirtschaft-und-Statistik/2014/05/ausgaben-einnahmen-2013-052014.pdf?__blob=publicationFile, geöffnet 17.02.2021. Es wird hier ein bereinigter Wert von 1 204 Milliarden Euro einschließlich Sozialversicherung und 670 Milliarden Euro ohne Sozialversicherung ausgewiesen, geprüft 16.03.2021

(2) Der Monetäre Wert der unbezahlten Arbeit von Männern liegt bei 521 Milliarden Euro

(3) https://www.destatis.de/DE/Methoden/WISTA-Wirtschaft-und-Statistik/2009/02/forschung-entwicklung-vgr-022009.pdf?__blob=publicationFile , geprüft 15.03.2021

(4) Siehe dazu auch Erläuterungen zur Zahl 1.

(5) Siehe dazu die Daten und Dokumente des Schweizer Bundesamtes für Statistik (BFS) zum Satellitenkonto Haushaltsproduktion

https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/arbeit-erwerb/unbezahlte-arbeit/satellitenkonto- haushaltsproduktion.html, geprüft 16.03.2021

(6) Aus der Summe der Bruttowertschöpfungen (BWS) wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) berechnet. Die BWS wird wie folgt berechnet: Von den Umsätzen in Restaurants beispielsweise werden alle Kosten außer Arbeitskosten (Löhne, Gehälter und Sozialversicherungen) und außer Abschreibungen abgezogen. Abschreibungen und Arbeitskosten stellen die Kosten der Bruttowertschöpfung dar und dazu kommt der Betriebsertrag des Restaurants (Gewinne, Steuern, persönliches Einkommen der Unternehmer:innen). Die Idee dahinter: Durch Arbeit werden neue Werte geschaffen (durch Verkäufe der Produkte und Dienstleistungen; Inputs werden abgezogen außer Arbeit und Abschreibungen).

(7) https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Steuern/Lohnsteuer-Einkommensteuer/Tabellen/gde.html

(8) Im Jahr 2010; siehe: https://www.statistischebibliothek.de/mir/receive/DEHeft_mods_00006568, geprüft 15.03.2021

(9) Laufende Wirtschaftsrechnungen Einkommen, Einnahmen und Ausgaben privater Haushalte nach dem Gesetz über die Statistik der Wirtschaftsrechnungen privater Haushalte in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 708-6, veröffentlichten bereinigten Fassung, ohne Beiträge für zusätzliche Kranken- und Pflegeversicherung, einschließlich Überziehungszinsen; siehe: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Einkommen-Einnahmen-Ausgaben/Publikationen/Downloads-Einkommen/einnahmen-ausgaben-privater-haushalte-2150100197004.pdf?__blob=publicationFile, geprüft 16.03.2021

(10) Statistik leider nicht mehr online verfügbar.

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